Neubau der Hofgebäude

Die Hofgebäude hatten wir in den Jahren zuvor immer wieder und immer weiter erneuert und verbessert. Zumindest äußerlich waren die ursprünglichen Schuppen und die ehemalige offene Lagerhalle in der Zwischenzeit halbwegs ansehnlich hergerichtet worden. Ein schönes Bild war das aber nicht. Und am maroden Zustand im Inneren – vor allem des für die Ablaugerei genutzten Gebäudeteils – hatte sich nichts geändert.

Neue Technik für die Ablaugerei?

Jahrelang hatten wir uns abgequält mit dem Ablaugen in Tauchbädern, dem mühseligen Hinein- und Herauswuchten der Möbel bei viel zu niedriger Deckenhöhe und den Lauge-/Lackdämpfen, die gesundheitsgefährdend in der Luft hingen. Nun hörten wir von einer bestechend einfachen neuen Technik, dem Kammersprühverfahren, entwickelt von einem jungen Ingenieurkollektiv in Kirchheim/Teck. Bei diesem Verfahren werden nicht die Möbel bewegt, sondern die Lauge, die über einen Düsenrahmen in einer geschlossenen Kammer im ständigen Kreislauf versprüht wird.

Das Technikprinzip.
Bild 1 zeigt rechts den Laugevorratsbehälter, mittig die geschlossene Kammer, links den Abluftwäscher, in den die Laugedämpfe aus der Kammer abgesaugt werden. Bild 2 zeigt den Düsenrahmen, der im Auf- und Abwärtstakt die heiße Lauge (natürlich bei geschlossener Kammertür) in der Kammer versprüht und den Lack dabei ‚abwäscht‘.

Das passt nicht in das vorhandene Gebäude

Diese absolut geniale Technik hat uns natürlich sofort begeistert und nicht mehr losgelassen. Neben den (für uns damals enormen) Kosten von rund 200.000 DM war aber das Hauptproblem, dass eine solche Anlage schon alleine wegen der notwendigen Deckenhöhe niemals in unsere vorhandenen Räume gepasst hätte.

Ein Neubau muss her

Nun hatten wir ja aber zum Glück den Herrn Daum bei der EKK und den Herrn Helfrich beim Bauamt der Stadt Oberursel. Da beide von diesem technischen Konzept (verbunden noch mit einer groß angelegten, vollautomatisch arbeitenden – prozessgesteuerten Abwasserbehandlungsanlage) sehr schnell überzeugt waren, war die Baugenehmigung und die Finanzierung der Baumaßnahme kein größeres Problem. Die einzige Auflage für den Neubau: die Firsthöhe von 5 Metern durfte nicht überschritten werden, um die Windzufuhr Richtung Frankfurt nicht zu vesperren.

So wurde die Ablaugerei der erste Teil der Neubauten der Hofgebäude.

Das Bild zeigt den hellen, großzügigen Arbeitsbereich, der den Laugerei-Mitarbeitern nun zur Verfügung stand. Weitere Bilder, auch von der neuen Abwasseranlage, finden sich in unserem Bildbericht im Tagebuch.

Und weiter geht´s …

Im Frühjahr 1993 war dieser erste Bauabschnitt fertig geworden. Nun ging es um das Anschlusstück zur Linse-Terrasse. Dieser Teil konnte der Ladenfläche zugeschlagen werden, weil er wegen der erheblichen Verbreiterung (Vertiefung) der Laugerei für diese nicht mehr gebraucht wurde. Neben der zusätzlich gewonnenen Ladenfläche konnte nun auch der Eingang verlegt werden und war nun schon bei der Einfahrt in den Hof direkt sichtbar. Das Bild zeigt diese Erweiterung im Rohbau während der Bauphase.

Nach Fertigstellung war dann der gesamte Querriegel der Hofgebäude im noch heute existierenden Zustand. Die Veränderung im Hofbild zeigt das folgende Bild (bei dem schon die Absperrung für die nächste Baumaßbnahme links zu sehen ist):

Der letzte Schritt

Das klassische Bild eines Innenhofes ist das ‚U‘. Nachdem wir nun ein ‚L‘ schon fertiggestellt haben, geht es ab Ende 1993 an den letzten Bauabschnitt, um dieses Bild zu erreichen.

Nach dem Ende der Lernwerkstatt war dieser Gebäudeteil ein paar Jahre als Holzwerkstatt für die Möbelrestaurierung genutzt worden. Dieser Ansatz war – wie schon beschrieben – gescheitert, ebenso der Versuch, die Räume an ehemalige Werkstattleute für einen unabhängigen eigenen Betrieb zu vemieten. Die Räume wurden nun nur noch als Lager genutzt. Die Optik dieses Hofteils zu dieser Zeit zeigt das Foto.

Unser Interesse damals war, möglichst viel Wohnraum auf dem Gelände herzustellen. Die WG- und Kommunezeit war endgültig vorbei, der Wunsch nach Rückzugsmöglichkeiten in eigenen Wohnungen groß.

Ein Wohngebäude soll entstehen

Entsprechend war die Planung, die durch die Auflage kompliziert wurde, dass die Firsthöhe des Gebäudes 5 Meter nicht überschreiten durfte. Das reicht nicht für 2 Vollgeschosse. Was man ‚oben‘ nicht haben kann, muss man also ‚unten‘ dazugewinnen. Eine Unterkellerung würde möglich machen, die Wohnungen über 2 Ebenen zu planen, mit den Wohnräumen ‚oben‘ und den Schlafräumen im Souterrain ‚unten‘.

Schweres Gerät für Abriss und Unterkellerung.

Ein Keller musste also ausgehoben werden, und dies – da die Krebsmühle nun mal im Hochwassergebiet liegt – wasserdicht. Bei allem Vertrauen in die Fähigkeiten unseres Bauteams war uns das zu heikel. Wohl oder übel mussten wir eine Tiefbaufirma mit den Arbeiten beauftragen. Die übernahm auch den Abriss – schweres Gerät rückte an.

Dass dies nicht die dümmste Idee war, zeigt das Foto mit den Riesenbrocken, die verladen werden müssen. Allerdings führte der Einsatz von Fremdfirmen zu einer erheblichen Belastung unseres Budgets. Ein Drittel des Gesamtetats war schon ‚verbraten‘, bevor der erste Stein vermauert wurde. Am Ende führte das dazu, dass wir mit dem geplanten Etat nicht hinkamen und eine Nachfinanzierung über 300.000 DM beantragen mussten. Sowas – mussten wir lernen – kommt bei Banken gar nicht gut an. So locker wie bisher war es danach nicht mehr, weitere Kredite für neue Vorhaben zu beantragen.

Fertigstellung

Die Grundfläche dieses Gebäudeteils beträgt rund 700 qm. Dass dafür Mengen an Steinen, Schalungen und Armierungen für die Betondecken, Elektro- und Sanitärinstallationsleitungen verbaut werden mussten, lässt sich leicht vorstellen. Auf die Bebilderung der Aubauetappen können wir hier verzichten, weil es auch zu diesem Bau einen Beitrag in unserem Tagebuch gibt. Fertiggestellt sah das Gebäude dann schließlich so aus, wie wir es heute kennen:

Restarbeiten – Hofpflaster

Der Hof ist geplastert

Damit waren wir am Ende einer gigantischen Bauphase angelangt und hatten keine Arbeit mehr für unser Bauteam, das zum allgemeinen Bedauern also aufgelöst werden musste. Eine Weiterführung mit Aufträgen von ‚außerhalb‘ wäre für die Polen im Team nicht möglich gewesen, weil trotz des EU-Beitritts 2004 noch keine Arbeitnehmerfreizügigkeit erlaubt, also keine legale Tätigkeit möglich war.

Verblieben war Kryzstof, der uns noch viele Jahre erhalten blieb und baulich alles durchführte, was anfiel (und ‚aus dem Laufenen‘ bezahlt werden konnte).

Seine erste große Maßnahme war die Planung und Anlage für die Pflasterarbeiten im Hof, der bis dahin immer nur mit Recyclingmaterial aufgefüllt und verdichtet worden war, was nach jedem Regen immer wieder Schlaglöcher hinterließ. Für diese Maßnahme hatte Johannes ein Pflastererteam aus seiner Bremer Heimat organisiert. Zusätzlich arbeiteten Mieter und Mitarbeiter ehrenamtlich.

Auch zu dieser Maßnahme gibt es einen Bilderbeitrag im Tagebuch, der den Fortgang der Arbeiten zeigt und in dem man uns beim Schuften zuschauen kann.

Das Foto zeigt Kryzstof Karwowski bei seiner Lieblingstätigkeit, der Arbeit mit dem Radlader.

© Hilfe zur Selbsthilfe e.V.