Der (Miet-)kauf der Krebsmühle

Der im Zuge der Mietkaufoption abgeschlossene Vertrag sah einen Kaufpreis von 2.2 Mio DM für die Krebsmühle vor. Verzinst mit dem damals üblichen Zinssatz bei fast 7% bedeutete dies, dass wir in den 20 Jahren Laufzeit bei einer monatlichen Belastung von 16.647 DM insgesamt fast 4 Mio DM für den Kauf der Krebsmühle aufbringen würden – ohne das viele Geld, das für Ausbaumaterial aufzuwenden wäre und ohne die Abertausenden von Arbeitsstunden, die wir in diesen Ausbau stecken würden.

Hier ging es also um erhebliche Werte, die im Laufe der Jahre entstehen würden und damit – potenziell – um ewige Streitigkeiten über Abfindungen, die ausscheidende Gruppenmitglieder verlangen könnten und gleichzeitig um – je nach Wert – ständig steigende ‚Eintrittsgelder‘, die neu hinzukommende Mitglieder aufzubringen hätten. Das wollte niemand.

Selbstenteignung

Also beschlossen wir, dieses im Laufe der Jahre entstehende Kapital zu ’neutralisieren‘. Wir würden auf jede private Aneignung verzichten und stattdessen dafür sorgen, dass der Wertzuwachs ‚der Gesellschaft‘ zukommen und die Krebsmühle ein für alle mal ein Gelände werden würde, auf dem ausschließlich in Selbstverwaltung gewirtschaftet werden würde. Wir beschlossen, dazu einen gemeinnützigen Verein zu gründen.

Der ‚Hilfe zur Selbsthilfe e.V.‘ (HSH) wird gegründet

Es war nicht ganz einfach, die auf die ASH GmbH abgeschlossene Mietkaufoption in einen Mietkauf durch den HSH e.V. umzuwandeln. Die Verhandlungen mit Geschi-Brot zogen sich ein halbes Jahr hin. Zum 1.Juli 1980 wurde dann der Mietkaufvertrag endlich abgeschlossen. Die Verzögerung führte dazu, dass der Zinsausfall nachgezahlt werden musste. Die bis zum März 1983 monatlich zu zahlende Rate betrug demnach satte 19.504 DM. Aber immerhin entfiel wegen der Gemeinnützigkeit des Vereins die Grunderwerbsteuer. Das waren 77.000 DM, die bei Entzug der Gemeinnützigkeit nachzuzahlen wären (was, da der Verein noch nicht wirklich aktiv war, jahrelang wie ein Damoklesschwert über uns hing …).

Die erstrangige Absicherung im Grundbuch

Natürlich sicherte Geschi-Brot den Verkauf durch einen erstrangigen Eintrag im Grundbuch der Krebsmühle ab. Das war verständlich, führte uns aber geradewegs in die Falle: keine Bank war bereit, für unseren Ausbau größere Kredite zur Verfügung zu stellen, die dann im Grundbuch nur im zweiten Rang hätten abgesichert werden können. Andere – dingliche – Sicherheiten hatten wir nicht anzubieten, und unser Konzept der ‚Firma ohne Chef‘ war darüber hinaus denkbar ungeeignet, Vertrauen bei Banken zu schaffen. Über viele Jahre blieben daher private Kredite von Freunden die einzige Finanzierungsquelle.

Eine äusserst prekäre Situation …

Wir waren mit dem HSH e.V. jetzt Besitzer der Krebsmühle. Allerdings unter der Bedingung, dass die Mietkaufraten immer zeitnah aufgebracht werden mussten. Schon nach drei ausstehenden Mietkaufraten würde die Krebsmühle an die Geschi-Brot zurückfallen, ohne irgendwelche Entschädigung für die von uns erbrachten Ausbauleistungen. Zudem wurden ausstehende Raten mit zusätzlich 14% Zinsen bestraft – heute kaum noch vorstellbar.

‚Wasserschloss Krebsmühle‘ nach Hochwasser 1981

Der ‚Spielraum‘ war schnell dahin

Schon 1981 – nach den im Folgenden beschriebenen Hochwasserkastrophen – war jeglicher Spielraum ausgeschöpft. Wir wurden mit zwei Monatsraten rückständig, und zusätzlich wurden von Geschi-Brot kulanterweise drei Monatsraten gestundet. Damit standen wir jetzt mit fast 100.000 DM in der Kreide, eine Summe, die wir nicht mehr loswurden und die uns über viele Jahre entsetzliche Mengen an Zinsen kosten sollte. Fortan – bis zur ersten Umschuldung 1986 – waren wir total abhängig vom Goodwill der Geschi-Brot und standen immer vor der Situation,  die Krebsmühle zu verlieren.

Als Spätfolge der Hochwasserkatastrophe (und anderer Schicksalsschläge) wurde die ASH GmbH 1983 nach einem Vergleich liquidiert. Die Geschäfte übernahm die Krebsmühle GmbH. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn wir den Kauf über die ASH GmbH und nicht über den HSH e.V. vollzogen hätten …

3. Juni 1981 – ‚Jahrhundert’hochwasser in der Krebsmühle

An diesem unschönen Junimorgen, nach einer Nacht mit starkem Unwetter, wurden wir mit dem Schreckensschrei ‚Hochwasser!‘ aus den Betten gerissen. Hochwasser am Urselbach – das war doch unmöglich. Schon in normalen mitteleuropäisch-wasserträchtigen Zeiten ist das ein Bächlein, da bleibt nicht mehr als ein Rinnsal, das sich vom Taunus in die Nidda quält. Und dieses Rinnsal soll ein ernstzunehmendes Hochwasser auslösen können?

Ein Blick aus dem Fenster, mehr noch der ahnungsvolle Gang runter in die Verkaufsräume bewies schlagartig: es kann. Uns blieb nichts: in aller Schnelle wurden die Möbel ins nächsthöhere Stockwerk geschafft, alle Mann ran und rein ins kalte Wasser, und als wir damit fertig waren, stand das Wasser schon einen Meter hoch in sämtlichen Räumen.

In der Druckerei standen sämtliche Maschinen mit ihren Motoren und Kompressoren, die Kameras, einfach alles unter Wasser. In der Schreinerei (mit ihren gerade erst neu gekauften Maschinen) als tiefstgelegenem Punkt auf dem Gelände erreichte der Wasserstand die stolze Höhe von 1,20 Metern.

Zum Glück gab es die Solidarität ‚der Szene‘: Viele Helfer fanden sich ein, die Maschinen auseinanderzunehmen, zu trocknen und wieder instand zu setzen (u.a. auch Heinz Hoffmann, unser derzeitiger Vereinsvorsitzender, der auf diesem Weg die Krebsmühle kennenlernte).

Es dauerte einige Wochen, bis die Druckerei den Betrieb wieder aufnehmen konnte, und es brauchte viel Zeit, die Nässeschäden an den Möbeln zu beheben. Die Schreinereimaschinen aber waren nicht mehr zu retten: von diesem Schlag erholte sich die geplante Schreinerei nicht mehr, neue Versuche dahin wurden danach nicht mehr unternommen.

Und gleich nochmal (weil´s so schön war?)

Angeblich schlägt der Blitz ja nicht zweimal an derselben Stelle ein und wir hatten das ‚Jahrhundert’hochwasser ja nun hinter uns und glaubten uns sicher. Weit gefehlt. Denn kaum hatten wir die letzten Reste Unrat beseitigt, traf es uns erneut. Wieder starker Regen und wieder in Minutenschnelle  nach vorher glühender Hitze. Nur geschah dies diesmal mitten am Tag. Wir konnten reagieren, die Möbel wieder hochschleppen, die Eingänge zu Druckerei und Holzwerkstatt mit Sandsäcken verbarrikadieren und so den neuerlichen Schaden in Grenzen halten. Aber der Hof war endgültig ruiniert und musste ‚generalüberholt‘ werden.

Hilfe von Stadt und Land?

Wie immer bei solchen Katastrophen wurde auch nach dem ‚Jahrhundert’hochwasser vollmundig ’schnelle und unbürokratische Hilfe‘ versprochen. Bei unserer Schadenssumme von fast 300.000 DM hätten wir 25.000 DM kriegen sollen. 3.800 DM davon hätte die Stadt Oberursel übernehmen müssen. Dies scheiterte dann 1983 (!) endgültig an der Weigerung des Stadtkämmerers, ‚einem Laden wie der ASH‘ städtische Gelder zukommen zu lassen. Wolli hat in der 5. Ausgabe unserer ‚Stadtgrenze‘ im Juli ’84 den Ablauf dieser Leidensgeschichte beschrieben.

‚Normales‘ Hochwasser hatten wir danach wieder im Juli ’89, im Juni ’94  und im Januar 2003. Danach hatten wir endgültig ‚die Schnauze voll‘ und bauten im Mai 2004 einen Damm, der seither zuverlässig dafür sorgt, dass die Krebsmühle von Hochwässern verschont bleibt.

© Hilfe zur Selbsthilfe e.V.