Gefahr im Verzug

Über all die Jahre war es uns nicht gelungen, die noch aus der Hochwasserkatastrophe von Geschi-Brot gestundeten Mieten zu bezahlen. Dazu kamen hohe Zinsforderungen, die wir auch nicht zahlen konnten. Der Schuldenberg gegenüber Geschi lag kontinuierlich deutlich oberhalb von 100.000 DM. In dieser Situation platzte im November 1985 auch noch ein Mietscheck …

Wie gefährlich die Lage tatsächlich war, konnten wir dabei noch nicht einmal ahnen. Immerhin war es uns immer wieder gelungen, Geschi-Brot zu vertrösten und hinzuhalten. Es gab so etwas wie ein persönliches Verhältnis zur Geschi-Buchhaltung. Wir ahnten nicht, dass Geschi selbst in Schwierigkeiten steckte und schon im Oktober 1984 die Forderung aus unserem Mietkaufvertrag an die holländische Firma Meneva BV abgetreten hatte. Die waren also im Zweifel diejenigen, die uns den Garaus machen konnten (zur Erinnerung: alle von uns geleisteten Baumaßnahmen würden entschädigungslos einkassiert werden).

Wo die Not am größten …

Nur ein Wunder konnte helfen. Das ‚Wunder‘ hieß in diesem Fall Gert Behrens. Gert war ein umtriebiger Steuerberater in der Berliner Selbstverwaltungsszene und gerade damit beschäftigt, in Berlin die Stiftung ‚UMVERTEILEN!‘ zu gründen. Das Gründungskapital für diese Stiftung stammte von Ulf Mann, einem Apothekersohn, der mit seinem Erbe etwas Sinnvolles anstellen wollte, statt es zu privatisieren. Dabei war der Plan, das Stiftungskapital nicht zu verbrauchen, sondern es ‚arbeiten‘ zu lassen und rein aus den Zinsen die gemeinnützigen Ziele der Stiftung zu verwirklichen.

Gert Behrens hatten wir im Zuge unserer Kampagne für die Ökobank kennengelernt. Er kannte die ASH und die Krebsmühle (und auch unsere Probleme mit der Finanzierung) und erkannte sehr schnell, dass sich hier eine win-win-Situation herstellen ließe: Die Stiftung brauchte – abgesichert – zu finanzierende Objekte, die Krebsmühle brauchte Finanzierung.

Kreditzusage

Ganz einfach war es nicht gewesen. Die Finanzgruppe der zu der Zeit noch in Gründung befindlichen Stiftung war zum ersten Mal mit einer Entscheidung über Kreditvergabe konfrontiert und entsprechend unsicher. Außerdem gab es dort bei einigen Mitgliedern sogar ‚politische Bedenken‘ gegen eine Kreditvergabe an die Krebsmühle. Es war schließlich Gert und seine persönliche Beziehung zu Ulf Mann, der den Kredit möglich machte.

Refinanzierung von Ausbaumaßnahmen

Es gab zu dieser Zeit noch keine wirkliche ökonomische Trennung von HsH e.V. und Krebsmühle GmbH. Alles Geld, das vom Verein gebraucht wurde, kam von der Krebsmühle GmbH, die sich damit – vor allem für den Ausbau der Krebsmühle – hoch verschuldet hatte. Der bei der Stiftung beantragte Kredit über 2.500.000 DM war deutlich höher als der Betrag, der an Geschi (bzw. die Meneva BV) gezahlt werden musste. Die Differenz sollte zur Entschuldung der Krebsmühle GmbH dienen.

Bürgschaften erforderlich

Auch aus diesem Grund genügte der Stiftung die erstrangige Grundschuld nicht zur Kreditabsicherung, zusätzlich sollten 500.000 DM in Form von persönlichen Bürgschaften aufgebracht werden. In einer gewaltigen Kraftanstrengung grasten wir unser gesamtes Umfeld ab – und erreichten trotzdem mit 103 Bürgen ’nur‘ eine Bürgschaftssumme von 288.500 DM. An dieser Stelle sprang – wieder einmal – unser späterer Vereinsvorsitzender Diethelm Damm in die Bresche, der aus seinem zwischenzeitlich gegründeten BDP-Zwischenfinanzierungsfonds eine Bereitstellungserklärung über 100.000 DM abgab. Zwar hätte auch dies noch nicht gereicht. Parallel waren aber die Verhandlungen mit Publik Forum über einen langfristigen Mietvertrag abgeschlossen. Die daraus resultierenden Mietforderungen wurden in Höhe von ebenfalls 100.000 DM an die Stiftung abgetreten und – nach Bonitätsprüfung – als werthaltig akzeptiert. Es  war geschafft – das restliche Geld aus dem Treuhandkonto des Notars konnte Ende 1987 ausgezahlt werden.

Endlich Eigentümer!

Damit war die Kuh vom Eis. 11 Jahre lang hatten wir wie die Wilden investiert und ausgebaut, immer in Gefahr, von heute auf morgen die Krebsmühle – entschädigungslos – wieder zu verlieren. Diese Phase war nun endlich vorbei. Zwar hatte auch die Stiftung einen Passus im Darlehensvertrag, nach dem das Darlehen für sofort fällig erklärt werden konnte, wenn wir mit fälligen Leistungen länger als 30 Tage im Rückstand blieben. Und es war uns auch unmissverständlich erklärt worden, dass die Stiftung nicht zögern würde, ihre Ansprüche durchzusetzen, falls ihr Kapital ernsthaft in Gefahr geraten sollte.

Aber wir hatten nicht mehr Kapitalisten mit kapitalistischen Verwertungsinteressen vor uns, sondern Menschen aus unserem eigenen (wie weit auch immer definierten) Umfeld, mit denen wir im Zweifel reden konnten.

Die Verwaltung des Kredits war den Berliner Stattwerken übertragen worden, mit denen wir auf anderer Ebene (Ökobank, Contraste) sehr viel zu tun hatten und die uns und die Krebsmühle ziemlich gut kannten. Der für uns zuständige Betreuer dort war Helmut Geissler, der uns dann im Laufe der Jahre bei Zahlungsschwierigkeiten tatsächlich mehrfach aus der Patsche geholfen hat.

Eine Stiftung ist keine Bank

Das Darlehen war langfristig mit 6,5% zu verzinsen – auch ein großer Vorteil gegenüber den 9%, die wir bei Geschi am Schluss für Schuldzinsen zu zahlen hatten. Damit war die monatliche Belastung mit anfänglich 16.667 DM für die 2.5 Mio DM nicht höher als die zuvor monatlich an Geschi zu zahlende Rate – ein wirklich guter Deal, wie man heute sagen würde.

Mit den Jahren wuchs zwar das Vertrauen der Stiftung in die Krebsmühle. Als wir aber Anfang der 90er Jahre unser neues Flüchtlingsprojekt (bzw. die dazu notwendigen Ausbaumaßnahmen) finanzieren mussten und uns dazu an die Stiftung wandten, machte die Stiftung uns klar, dass sie nicht als Bank fungieren könne und wolle und deshalb diesen und prinzipiell auch weitere Kreditanträge der Krebsmühle ablehnen würde.

Blockade im Grundbuch – wie geht´s weiter?

Das war für uns ein herber Schlag. Immerhin ging es um ein Kreditvolumen von 700.000 DM. Welche Bank würde einen so hohen Kredit ohne die Absicherung im Grundbuch finanzieren? Denn die erste – wirklich sichere – Stelle im Grundbuch war ja durch den Eintrag über 2.5 Mio DM zugunsten der Stiftung dauerhaft blockiert.

Hatten wir uns selbst gefesselt und würden über viele Jahre keine größeren Maßnahmen in der Krebsmühle mehr durchführen können?

© Hilfe zur Selbsthilfe e.V.