Der im Folgenden für die Beschreibung der Gründung und ersten Jahre der ASH verwendete Text war gedacht als Einführung zu einem Artikel über „die Entwicklung der Selbstverwaltung am Beispiel der Krebsmühle“ und entstand 1984.
Wir nutzen – soweit vorhanden – bei den Detailbeschreibungen solche alten Texte, um möglichst authentisch die damaligen Gefühle und das damalige Selbstbild der Gruppe (ohne Glätten und ‚Bügeln‘) wiederzugeben.

Das gesellschaftliche Umfeld

Die Gründungsphase nicht der Selbstverwaltungs-, sondern der damals allgemein so genannten “Alternativbewegung” begann in der Mitte der 70er Jahre. Einzelne hatten davor schon begonnen, eigene Betriebe zu gründen, als Mittel zum Zweck, zum Beispiel, um linke Literatur in den Umlauf zu bringen (Gründung der linken Buchläden) oder um sicherzustellen, dass die Flugblätter und Zeitungen der ausklingenden Studentenbewegung tatsächlich auch gedruckt werden konnten (Gründung linker Druckereien und Setzereien). Man weiß es ja heute kaum noch, aber damals gab es weder alles zu kaufen, was man lesen wollte, noch war sicher, dass ein Flugblatt linken Inhalts auch gedruckt werden würde.

Wir haben uns nicht an dieser Betriebsgründungsphase orientiert, sondern an dem, was der Kölner SSK (Sozialistische Selbsthilfe Köln) erfolgreich begonnen hatte und in einer Veranstaltungsreihe bundesweit propagierte: Die Mittel für die dort durchgeführte – ich sags mal ein bischen salopp – “alternative Sozialarbeit” kamen nicht von der Stadt und wären von dort auch nicht zu kriegen gewesen; sondern sie wurden selbst erwirtschaftet durch den Handel mit Briketts und Kohlen (”Klütenhandel”), durch Entrümpelungen und die Wiederverwertung von noch Brauchbarem.

Resozialisierung durch Selbstverwaltung …

Resozialisierung ehemaliger “Knackis” und Drogensüchtiger durch die gemeinsame Arbeit in selbstgegründeten und -geführten Betrieben und durch die mit dem dort Erwirtschafteten gemeinsam durchgeführte politische (Aufklärungs)Arbeit – ein auch beim zweiten Hinsehen bestechendes Konzept. Meines Wissens arbeiten einzelne SSK-Gruppen noch heute, also seit über 15 Jahren.

Sozialarbeiterisch war auch unser Ansatz: In einem Frankfurter Stadtteil war – im Rahmen der damals, im Zuge von Häuserkampf und FVV-Konflikten propagierten “Stadtteilarbeit” – die Kneipe “Elfmeter” übernommen worden. Hier sollte ein Kristallisationspunkt für die Auseindersetzung studentischer Linker mit den Bewohnern der “Niedwiesen”-Obdachlosensiedlung entstehen. Die fand auch statt, allerdings nicht ganz nach dem Geschmack von uns Studenten: Provokationen und körperliche Angriffe seitens einer Gruppe jugendlicher “Rocker” waren an der Tagesordnung.

Die Situation eskalierte – in der “Elfmeter”-Belegschaft kam es zu ideologischem Streit darüber, ob man “die Bullen rufen” oder selbst ein Rollkommando aufstellen sollte, um ein für allemal zu zeigen, dass man sich auch wehren könne. Einer Minderheit schien beides nicht die Alternative zu sein: Zum einen war der “Elfer” die zur Siedlung gehörende Kneipe, seit jeher Stammkneipe dieser Jugendlichen und ihrer Väter – wir waren also die Eindringlinge. Zum anderen war klar, dass das damals “angesagte” Gehabe – auch der letzte Hänfling trug martialisch schwarze Lederkleidung – gerade diese Jugendlichen provozieren mußte. Und schließlich vermissten wir in diesem Konflikt den ansonsten doch von uns selbst ständig eingeklagten Blick auf die Ursachen, auf das materielle “Sein” der Jugendlichen, aus dem sich ja deren Bewußtsein und deren Verhaltensweisen herleiteten.

… eine Chance zur Problemlösung?

Dies war der eigentliche Gründungsanlaß für die ASH – damals noch “Arbeitslosenselbsthilfe”: Wenn wir den besagten Jugendlichen eine Möglichkeit eröffnen könnten, selbstbestimmt zu arbeiten ( und das heißt: gemäß ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen und ohne autoritäre Strukturen im Rücken), dann würden sie sich möglicherweise über die regelmäßige Arbeit (und das selbst verdiente Geld) in gewisser Weise resozialisieren, jedenfalls doch rauskommen aus dem ewigen Kreislauf Arbeitslosigkeit – kein Geld – Frustration – Alkohol – Schlägereien und/oder Geldbeschaffung durch Einbruchdiebstahl – Knast – Arbeitslosigkeit.

Im linken Bild die wilde Meute: die WG-Mitglieder in der Gründungsphase der ASH.
Im rechten Bild die allererste Aktivität: ein Miniflohmarkt beim ‚Elfmeter‘ soll erste Mittel beischaffen.

Die 'K2' - unsere WG in Heddernheim

Von hier ging alles los: Die ‚K2‘, unsere WG in Frankfurt-Heddernheim

Unsere Wohngemeinschaft am nördlichen Stadtrand von Frankfurt wurde kurzerhand zur Zentrale der neu gestarteten Initiative gemacht. Wichtig war vor allem der Telefonanschluß, denn zunächst konzentrierten wir uns auf das, was die Jugendlichen – mehr oder weniger – gelernt hatten: Alle hatten eine Ausbildung als Maler/Tapezierer oder Teppichbodenverleger begonnen und fast alle hatten die Ausbildung nur teilweise durchgeführt. Die ASH wurde also tätig im Bereich der Wohnungsrenovierung. Die Aufträge kamen aus dem damals noch vorhandenen Sympathisanten-Umfeld der Wohngemeinschaftsszene, von Lehrern und Sozialarbeitern, die unser Experiment unterstützen wollten.

Wachstum bringt Probleme …

Solange das Ganze in dem anfänglich kleinen, informellen Rahmen blieb, funktionierte es ganz gut. Über Unzuverlässigkeiten der Jugendlichen wurde großenteils hinweggesehen; in anderen Fällen mußten eben wir “ran”, um den Termin einer Renovierungsarbeit sicherzustellen.

Die Zahl der beteiligten Jugendlichen wuchs jedoch schnell; die über den “Sympathisantenmarkt” zu beschaffenden Aufträge reichten nicht aus. Folglich begannen wir, Kleinanzeigen in den Tageszeitungen zu schalten. Dies brachte uns zwar Aufträge, aber mit diesen Aufträgen auch jede Menge Ärger. Die Auftraggeber wußten natürlich, dass es sich bei unserer Arbeit um Schwarzarbeit handelte. So wurden wir des öfteren um den Lohn der Arbeit betrogen. Außerdem war es nun natürlich nicht mehr so locker mit den Arbeitszeiten und den gesetzten Terminen. Immer häufiger mußten wir einspringen, um Arbeiten fertigzustellen, bei denen die Jugendlichen aufgegeben hatten. Das Ganze geriet mehr und mehr zu fürchterlichem Streß – und hatte dann schlagartig ein Ende durch einen Brief der Handwerkskammer, mit dem wir bei Strafandrohung aufgefordert wurden, da ohne Meister, die Arbeiten und jede weitere Werbung dafür sofort zu unterlassen.

… und wie war das noch gleich mit den Geistern?

Wirklich unglücklich waren wir an diesem Punkt darüber nicht: Wir hatten uns in den Wochen davor von unseren Schützlingen regelrecht ausgebeutet gefühlt. Die behandelten uns wie eine Zeitarbeitsfirma, allerdings fordernder: Wehe, es gab keine Arbeit für die, die mal wieder meinten, ein bischen Geld zusätzlich brauchen zu können! Da ging dann der Punk ab: “Wieso kriegt der Arbeit, wieso ich nicht!?!” Und wehe dann, es fiel ein falsches Wort! Die körperliche Bedrohung lag ständig in der Luft. Da sich dies alles in unserer Wohnung abspielte, gab es auch keinerlei Möglichkeit, sich zurückzuziehen, einmal Ruhe zu finden von der ständigen psychischen und körperlichen Belastung. Selbst mitten in der Nacht konnte es geschehen, dass einige unserer Schützlinge sich randalierend Einlaß verschafften. Da hieß es dann aufzustehen und zwei, drei Stunden lang besänftigend auf die Jugendlichen einzureden, bis sie dann endlich Ruhe gaben.

In jeder Krise steckt auch eine Chance

Der Brief der Handwerkskammer war für uns die Chance, die Geister, die wir gerufen hatten, auf eine nicht racheträchtige Art wieder loszuwerden: Keine Arbeit – kein Geld; und ein über das unmittelbar zu verdienende Geld hinausgehendes Interesse “am Ganzen” gab es bei diesen ersten ASH-Mitarbeitern nicht.

So scheiterte der allererste – sozialarbeiterische – Ansatz schon nach einem guten halben Jahr. Unsere Schützlinge ließen uns in Ruhe. Wir hatten die noch nicht fertiggestellten Aufträge zu Ende zu bringen und standen dann vor der Frage: Was nun?

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