1. Die ASH – jetzt Modell für Großbetriebe?

An Sendungsbewußtsein und der Überzeugung, Entscheidendes für die Vermenschlichung der Gesellschaft zu leisten, hat es uns nie gemangelt. Kaum in die Krebsmühle eingezogen, beginnn wir deshalb sofort damit, unseren Betrieb so umzugestalten, dass er unserer Meinung nach ein Modell für andere, selbst für Großbetriebe sein könnte. Man müsste diese nur in entsprechend kleine, überschaubare Einheiten umorganisieren und schon wäre der Weg frei für eine basisdemokratische Betriebsorganisation.

Wir kommen in Kontakt zum Sozialistischen Büro (SB) in Offenbach. In deren Zeitschrift ‚Express‘ können wir uns und unsere Ideen darstellen und erreichen so erstmals linke Gewerkschafter und Vertrauensleute in den Betrieben, also ’normale Leute‘ aus der Arbeitswelt, jenseits der Frankfurter Sponti-Szene. Austausch und Dialog bleiben zwar eingeschränkt, die gewünschte Aufmerksamkeit erreichen wir trotzdem.

Allerdings geraten wir mit den vielen erforderlichen Delegationsebenen unseres Betriebsorganisationsmodells schon bald in Widerspruch zu unseren eigenen Ansprüchen an ein alternatives (Kommune-)Leben.

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2. Politische Offensive

1980 ist ein Jahr der politischen Offensive. Unseren Ansatz, mit der ‚Arbeiterbewegung‘ in Kontakt zu treten, können wir mit weiteren Kontakten zum Sozialistischen Büro und dem Haus der Gewerkschaftsjugend in Oberursel vertiefen. Zusammen mit der Schäfereigenossenschaft Finkhof (im Allgäu) und der IGEF (in Wien) gründen wir eine neue Zeitschrift, die zweimonatlich im redaktionellen Wechsel erstellt wird.

Die BASIS – Zeitschrift für Selbstverwaltung (herausfordender Titel der ersten Ausgabe: Betriebe ab sofort in Selbstverwaltung!) wird zum ernst genommenen Diskussionspartner und Treiberin der Selbstverwaltungsbewegung. Sie trägt erheblich zur Vernetzung der damals bundesweit überall entstehenden Gruppen bei.

Die sehr weitgehende Initiative POVO – politisch offensive Vertriebsorganisation, mit der wir Absatzstrukturen für besetzte und von der Belegschaft übernommene Betriebe schaffen wollen, scheitert leider an Kleingeisterei der Sponti-Linken.

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3. Gegenbuchmesse und Projektemessen

Die Gegenbuchmesse der alternativen Kleinverlage hat in Frankfurt schon Tradition. Zur kommenden 5. Gegenbuchmesse 1981 werden von den Organisatoren größere Räume gesucht und  überlegt, ob diese in der Krebsmühle durchgeführt werden könnte. Um das zu realisieren müssen wir zwar noch ein komplettes Stockwerk der Mühle und das zugehörige Treppenhaus ausbauen – andererseits ist es eine echte Herausforderung, eine Woche lang 10.000 Besucher zu Gast zu haben. Solche Herausforderungen haben wir schon immer geliebt.

Zudem können wir die Gelegenheit zu einem neuen Vernetzungsansatz nutzen: im Windschatten der durch die Gegenbuchmesse garantierten Öffentlichkeit organisieren wir eine Selbstdarstellungs’messe‘ alternativer Projekte. Diese wird – weil vorher nicht angekündigt – zwar vom Publikum und der Presse eher nur am Rande wahrgenommen, führt aber zum Kennenlernen der anwesenden Projekte und zum Wunsch, gemeinsam stärker Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Die hier dazu geborene Projektidee ist eine monatliche Beilage in der TAZ (‚die Tageszeitung‘), die unter dem Titel ‚Betriebszeitung in der TAZ‘ auch realisiert wirde und im April 1982 erstmalig erscheint.

Das Experiment Projektemesse im Windschatten der Gegenbuchmesse (die erneut in der Krebsmühle stattfindet) wird 1982 wiederholt und erzielt wesentlich mehr Aufmerksamkeit.

Deshalb wagen wir – inzwischen wesentlich stärker vernetzt – gemeinsam die Projektemesse 1983, diesmal ohne den Schutz der Gegenbuchmesse, dafür im Sommer (nicht im Herbstregen der Buchmesse) und mit allen Räumen der Krebsmühle, also sehr viel mehr Platz für Ausstellungen und Diskussionen. Erstmalig beteiligen sich auch Ingenieurkollektive und zeigen den neuesten Stand der Entwicklung alternativer Energien.

Die Messe wird ein Riesenerfolg und erzeugt allgemeine Euphorie: der Traum von der gesellschaftlichen Relevanz der Selbstverwaltung gewinnt deutlich an Kontur.

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4. Die Bewegung auf ihrem Höhepunkt

1984 ist ein turbulentes Jahr. In Fortsetzung der Vernetzungsaktivitäten begründen die Berliner ‚Stattwerke‘ die Tradition der ‚Wintertage‘: in Berlin treffen sich im Januar 200 Projektvertreter, um in branchenspezifischen Arbeitsgruppen und in plenaren Situationen die wichtigen Probleme ‚ohne den Messestress‘ weiter zu diskutieren.

Verbandsgründung

In Hessen bereiten sich die Grünen auf ihre Regierungsbeteiligung vor und bringen ein 7 Millionen DM ’schweres‘ Programm zur Förderung alternativen Wirtschaftens in die Haushaltsberatungen ein. Wir trommeln die Szene zusammen und erreichen die Gründung eines Verbandes. Der Verband der selbstverwalteten Betriebe Rhein/Main/Neckar/Lahn mit über 60 angeschlossenen Betrieben, eigenem Verbandsbüro und ‚Sekretär‘, wird in der Krebsmühle gegründet. Wir können damit an den Verhandlungen über die Vergaberichtlinien des geplanten Programms im Wirtschaftsministerium teilnehmen.

Projektemesse 1984

Die Krebsmühle erhält Unterstützung durch die Modellfabrik Weißkirchen: 4 Kollektive mit mehr als 20 Mitarbeiter*innen ziehen in die leerstehende Fabrik – nur einen Kilometer entfernt von der Krebsmühle. Eine enge Zusammenarbeit beginnt.

Die geplante und vom neuen Hessenverband organisierte Projektemesse 1984 kann jetzt sowohl in der Krebsmühle als auch in der Modellfabrik stattfinden und wird ein Großereignis mit großer medialer Aufmerksamkeit. Mehr als 200 Kollektivbetriebe stellen sich dar und sikutieren miteinander. An den Podiumsdiskussionen zu Belegschaftsbetrieben, alternativer Ausbildung und der Gründung einer eigenen Ökobank nehmen arrivierte Vertreter aus Politik und Wirtschaft teil.

Das allgemeine Gefühl: die Bewegung steht kurz vor dem Durchbruch in gesamtgesellschaftliche Relevanz.

Ökobank und ‚Contraste – Zeitung für Selbstverwaltung‘

Unmittelbares Resultat der Projektemesse 1984 sind die Gründung von CONTRASTE, der Zeitung für Selbstverwaltung und die Verankerung der Ökobank-Initiative in der Bewegung.

Im vierten Anlauf (nach WWA, BASIS und BETRIEBSZEITUNG in der TAZ) gelingt es mit der diesmal auf sehr viel mehr Schultern ruhenden,  professionell erstellten und vertriebenen Zeitung CONTRASTE endlich, ein allgemein akzeptiertes Informations- und Diskussionsforum für die Selbstverwaltungsbewegung zu schaffen. Der ursprüngliche Titel ‚Wandelsblatt‘ muss nach einem Konflikt mit dem ‚Handelsblatt‘ zwar aufgegeben werden, unter dem Namen ‚Contraste – Zeitung für Selbstorganisation‘ existiert dieser Ansatz aber bis heute.

Eine selbstverwaltete Wirtschaft – finden wir – braucht auch eine Bank, die deren Entwicklung ernst nimmt und fördert. Deshalb beteiligen wir uns an der Gründung des Vereins der Freunde und Förderer der Ökobank, stellen in der Krebsmühle das Vereinsbüro und mit Jutta Gelbrich die ‚Bürokraft‘ zur Verfügung. Dies ASH wird zum Bindeglied zwischen Ökobank-Initiative und Selbstverwaltungsszene. Bei der Projektemesse wird die allgemeine Akzeptanz für eine Bankgründung erreicht.

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