“Nie mehr Sozialarbeit”

– unter diesem Motto beschlossen die 10 Hinterbliebenen die Fortführung der gemeinsamen Arbeit. Es blieb uns kaum etwas anderes übrig: Die Belegschaft der Wohnung hatte sich in dieser Zeit verdoppelt. Alle waren arbeitslos. Irgendwie musste Geld beschafft werden, und in gewisser Weise war das selbständige Arbeiten auch eine positive Erfahrung gewesen. Es reizte uns, weiterzumachen, noch einen Versuch zu wagen – und so schlidderten wir sozusagen in die „Alternativbewegung”.

Gruppensitzung 2
„Immer locker bleiben“. Arbeiten in eigener Regie
nach Lust und Laune – das lässt sich aushalten.

Arbeit soll Spaß machen

Was die Beteiligten damals verband war hauptsächlich der Gedanke, gemeinsam, als Gruppe, auf lockere Art das notwendige Geld zu verdienen. Die Arbeit als Spiel – man arbeitet mit Lust und nach Lust und Laune; will der eine nicht, springt eben der andere ein. Da alle aus einem gemeinsamen Topf leben, reguliert sich die Frage des Einsatzes von selbst: man muß eben sehen, dass in dem Topf immer etwas drin ist. Einen Betrieb aufzubauen, der auf Dauer Bestand haben könnte: Das war nur sehr im Ansatz (und ebenfalls sehr verspielt) als Idee in einigen wenigen Köpfen vorhanden. So merkwürdig es klingt: Auch zum zweiten Schritt in Richtung professionelles Arbeiten war wiederum die Intervention einer Behörde erforderlich.

Wir hatten unsere „Rücklagen” aus dem halben Jahr Renovierungstätigkeit (ca. 2000.- DM) so sinnvoll wie möglich investiert: in den Ankauf eines alten Hanomag-LKW vom Schrottplatz und in das Material, diesen LKW so weit wieder zurecht zu machen, dass er den TÜV passieren konnte. Da uns qualifizierte Handwerksarbeit verboten war, wollten wir unser Geld mit Entrümpelungen, Haushaltsauflösungen und – soweit möglich – Transporten verdienen.

Unser erster LKW - ein alter Hanomag
So einfach kann Werbung sein: WIR MACHEN ALLES war die Beschriftung auf der Plane des alten Hanomag, den wir vom Schrottplatz geholt und fahrbereit gemacht hatten.

„Wir machen alles” stand auf der Plane dieses ersten LKW. Entrümpelungen boten wir an für pauschal 30.- DM, egal ob aus Keller oder Speicher und „egal wieviel”. Das man davon nicht leben kann, liegt auf der Hand. Unsere Spekulation: in dem Entrümpelten das eine oder andere zu finden, das sich auf dem Flohmarkt zusätzlich noch verkaufen ließe. Das war nicht ganz falsch, nur handelte es sich bei dem noch Verwertbaren in der Hauptsache um sperrige Gegenstände, um Möbel und Haushaltsgeräte. Das läßt sich nicht zum Flohmarkt schaffen, sondern muß anders angeboten werden. Unser Wohnhaus und eine Scheune auf unserem Gelände wurden zum Möbellager. Ein zweiter LKW (Opel Blitz) wurde angeschafft – unter durchaus ähnlichen Bedingungen wie beim ersten.

Und wieder Arbeitsverbot …

In dieser Phase bekamen wir Besuch von unserem Vermieter, dem Liegenschaftsamt der Stadt Frankfurt. Mit dabei war ein Mensch vom Brandschutz. Die „Unterredung” dauerte nur 10 Minuten: Unter Strafandrohung wurden wir aufgefordert, die Scheune umgehend zu räumen, wegen Brandgefahr. Ausserdem hätten wir alle gewerblichen Tätigkeiten auf dem Gelände sofort zu unterlassen.

Dabei hatten wir gerade aufgeräumt, um Platz zu schaffen für den Autoschlosser (den unverzichtbaren Bestandteil jedes Alternativbetriebs).

Vorher sah die ‚Idylle‘ noch ganz anders aus:

K2 ganz bunt

Was nun?

Da standen wir nun. Die Scheune war zweistöckig vollgepackt mit Möbeln und Hausrat. Der Hof war Holz- und Metall-Lager. Die Gruppe war zwischenzeitlich auf 17 Personen angewachsen, das Wohnhaus platzte aus allen Nähten.

Wieder wird eine Krise zur Chance

Wir mußten uns was einfallen lassen. Und fanden ein paar Kilometer weiter, im Frankfurter Stadtrand-Stadtteil Bonames, eine teilweise leerstehende Fabrik, in der wir eine komplette 2000 Quadratmeter-Etage anmieten konnten. So obskur diese Anmietung auch gelaufen ist (es gab einen handgeschriebenen Zettel als „Mietvertrag”; im Falle einer anderweitigen Nutzung des Geländes mußten wir sofort wieder ausziehen) und so heruntergekommen das ganze auch war – der Wechsel in ein speziell für den Aufbau des Betriebes angemietetes Gelände gab der ASH-Geschichte plötzlich einen anderen Charakter. Es wurde ernst mit dem eigenen Betrieb. 2000 Quadratmeter – Platz für die Möbel, Platz für neue Wohnräume, für die Erweiterung der Gruppe. Platz für Treffen und Veranstaltungen, Platz vielleicht für ein Cafe – welche Möglichkeiten taten sich da auf!

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